WAS GILT - SCHWEIZER ODER DEUTSCHES ERBRECHT?

Wer ist zuständig - ein nachlassgericht in der Schweiz oder in deutschland?


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A)  Nachlassgericht in der Schweiz oder in Deutschland?

1. Die Aufgaben des Nachlassgerichts

Das Nachlassgericht ist im Erbfall die erste Anlaufstelle für die Erben. Die Aufgaben der Nachlassgerichte in Deutschland und in der Schweiz sind insbesondere:

 

-amtliche Verwahrung von letztwilligen Verfügungen, also von Testamenten und Erbverträgen, die der Erblasser einliefert;

 

Entgegennahme von letztwilligen Verfügungen. In der Schweiz und in Deutschland ist jedermann verpflichtet, aufgefundene Testamente und Erbverträge beim Nachlassgericht sofort abzuliefern;

 

-Eröffnung von letztwilligen Verfügungen;

 

-Ermittlung der Erben;

 

-Feststellung der Erbrechte und Erbquoten der Beteiligten;

 

-Erteilung des Erbscheins. Der Erbschein dient zum Nachweis des Erbrechts z.B. gegenüber Banken oder zur Eigentumsumschreibung von Immobilien. Der Erbschein dokumentiert, wer Erbe ist und mit welcher Quote mehrere Erben am Nachlass beteiligt sind. Hat ein Erbe nicht den kompletten Nachlass geerbt, wird ein Teilerbschein erteilt.  Mehrere Erben können einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen. Stellt sich heraus, dass ein Erbschein unrichtig ist und falsche Angaben enthält – z.B. weil nachträglich ein weiteres Testament auftaucht – kann der Erbschein vom Nachlassgericht jederzeit eingezogen werden.

 

-Entgegennahme der Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft

 

-Die Ernennung des Testamentsvollstreckers/ in der Schweiz: Willensvollstreckers;

 

-Die Aufstellung eines Nachlassinventars zur Sicherung des Nachlasses;

2. Welche Nachlassbehörde ist im Erbfall zuständig, eine in der Schweiz oder eine deutsche? Wohnsitz-/Aufenthaltsprinzip

Die Grundregel lautet: Zuständig ist das Nachlassgericht /die Nachlassbehörde , in deren Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt / Wohnsitz hatte (Art. 86 IPRG Schweiz, Art. 4 EuErbVO):

 

In Deutschland ist dies das Nachlassgericht beim örtlichen Amtsgericht (§ 23a Abs. 2 GVG). Verstarb der Erblasser z B. mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Frankfurt, dann ist das Nachlassgericht/Amtsgericht Frankfurt für das Erbverfahren zuständig.

 

Zuständig in der Schweiz sind je nach Kanton das Erbschaftsamt, ein Notar, das Regierungsstatthalteramt des Bezirks oder die Teilungsbehörde der Gemeinde. Verstarb der Erblasser z.B. mit letztem Wohnsitz in Zug, dann ist das dortige Erbschaftsamt zuständig. Verstarb der Erblasser mit letztem Wohnsitz in St. Moritz, ist das Regionalgericht Ilanz, Graubünden, für die Erteilung eines Erbscheins zuständig.

3. Ausnahmen vom Prinzip des letzten Wohnsitzes /Aufenthalts des Erblassers

a) Ausländische Grundstücke

Für außerhalb der Schweiz belegene Grundstücke regelt die Sondernorm von Art. 6 Abs. 2 IPRG, dass die beschränkte Zuständigkeit der örtlichen Nachlassbehörden für Immobilien respektiert wird, auch wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte. Dann ist ein Erbschein bezüglich des Grundstücks ausnahmsweise im Ausland zu beantragen.

b) Auslandsschweizer können sich die Nachlassbehörde auswählen

Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz außerhalb der Schweiz können in ihrem Testament vorschreiben, dass ihr in der Schweiz befindliches Vermögen und/oder ihr gesamter Nachlass dem schweizerischen Recht und/oder der schweizerischen Zuständigkeit unterstellt wird (Art. 87 IPRG). Damit machen sie ihre Schweizer Heimat- Nachlassbehörde für ihren Nachlass zuständig, wenn sie im Ausland sterben. Beispiele: Der Erblasser mit Schweizer Staatsangehörigkeit verstirbt mit letztem Wohnsitz in Stuttgart und hinterlässt eine Unternehmensbeteiligung in der Schweiz. Er konnte separat für seine Schweizer Unternehmensbeteiligung die Schweizer Nachlassbehörde als zuständig auwählen und hierfür Schweizer Recht anordnen. Die Schweizer Staatsbürgerin verstirbt in Hamburg und hinterlässt Vermögen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz. Sie konnte für ihr gesamtes Vermögen im In- und Ausland ihre Heimat-  Nachlassbehörde für zuständig erklären und die Geltung von Schweizer Erbrecht anordnen.

 

Hilfsweise zuständig wird eine Schweizer Nachlassbehörde dann, wenn ein Schweizer Staatsbürger im Ausland verstirbt und die dort an sich zuständige Nachlassbehörde nicht aktiv wird, obwohl entsprechende Anträge gestellt wurden (Art. 87 IPRG). Dies kommt aber selten vor.

c) Deutsche und Erblasser, die in Deutschland gewohnt haben

Deutsche und EU-Bürger mit letztem Wohnsitz in der Schweiz haben die obige Wahlmöglichkeit zugunsten ihres Heimat- Nachlassgerichts zwar nicht. Haben Sie aber die Brücken zur deutschen Heimat nicht ganz abgerissen und hinterlassen in Deutschland noch Vermögen, dann gelten folgende Zuständigkeitsregeln:

 

aa)Verstirbt ein deutscher Staatsangehöriger zwar mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, dann ist trotzdem das deutsche Nachlassgericht für seinen gesamten Nachlass zuständig, wenn der Erblasser auch noch Vermögen in Deutschland hinterlässt (Art. 10 Abs.1a EuErbVO).

 

bb)Auch wenn dieser Erblasser nicht deutscher Staatsangehörigkeit war, aber wenn er in Deutschland gewohnt hat und sein Umzug in die Schweiz  nicht mehr als 5 Jahre zurückliegt, bleibt das deutsche Nachlassgericht für seinen gesamten weltweiten Nachlass zuständig, wenn er (auch) in Deutschland Vermögen hinterlässt (Art. 10 Abs. 1b) EuErbVO).

 

Ein deutsches Nachlassgericht hält sich also auch für Schweizer Staatsbürger mit Vermögen in Deutschland zuständig, die in Deutschland gewohnt haben und nach ihrem Umzug in die Schweiz innerhalb von 5 Jahren sterben. Hier kommt es zu einem Kompetenzgerangel zwischen den deutschen und den Schweizer Nachlassbehörden, das Erben mit unterschiedlichen Interessen ausnutzen können.

 

In den Fällen aa) und bb) kann das deutsche Nachlassgericht auf Antrag das Nachlassverfahren auf das in Deutschland befindliche Vermögen beschränken, wenn wegen des Kompetenzkonflikts zu erwarten ist, dass die Schweiz die Verfügungen des deutschen Nachlassgerichts bezüglich der Vermögensbestandteilen der Schweiz nicht anerkennt. Dann stellen sie ein Erbschein aus, der nur das Vermögen in Deutschland betrifft.

 

cc)Bei Erblassern mit letztem Aufenthalt in der Schweiz erklärt Art. 10 Abs.2 EUErbVO die deutschen Nachlassgerichte beschränkt für das in Deutschland hinterlassene Vermögen immerhin noch zuständig. Dies gleichgültig, ob der Erblasser deutscher Staatsbürger war oder überhaupt in Deutschland wohnte. Diese Regelung gilt also auch für Schweizer Staatsbürger und verursacht ebenfalls Kompetenzkonflikte.

 

Nach der EU ErbVO Art. 5 Abs. 1 ist für die Erben eine Gerichtsstandswahl zugunsten des Heimat- Nachlassgerichts möglich, wenn der mit letztem Aufenthalt in der Schweiz verstorbene deutsche Erblasser im Testament sein Heimat- Erbrecht gewählt hat (siehe unten C) 3.a). Dadurch kann es zu einem Kompetenzkonflikt mit der Schweizer Nachlassbehörde kommen, die sich aus ihrer Sicht ebenfalls für zuständig hält und die Gerichtsstandswahl nicht akzeptiert.

B)  Welches Gericht ist für einen ErbStreit zuständig – ein Gericht in der Schweiz oder in Deutschland?

1. Gerichtszuständigkeit

Erbstreitigkeiten sind Gerichtsprozesse unter den Angehörigen des Erblassers, seinen Erben, Vermächtnisnehmern und Pflichtteilsberechtigten beispielsweise über Fragen,

 

-wer Erbe geworden ist,

 -ob ein Testament, Erbvertrag gültig ist, wie er auszulegen ist,

 -welches Vermögen des Erblassers zum Nachlass gehören, welches nicht

 -wie der Nachlass unter den Erben aufzuteilen ist,

 -wie lebzeitigen Vermögenstransfers des Erblassers auszugleichen sind,

 -wer Anspruch auf ein Vermächtnis hat,

 -welche Ansprüche die Pflichtteilsberechtigten haben.

 

Die Gerichtszuständigkeit für Erbstreitigkeiten ist im wesentlichen gleich mit der oben A) dargestellten Zuständigkeit der Nachlassgerichte/Nachlassbehörden im Erbscheins- und Nachlassverfahren. Es gilt das Prinzip des letzten Wohnsitzes/Aufenthalts des Erblassers mit den oben A) dargestellten Besonderheiten und Änderungsmöglichkeiten.

2. Gerichtsstandsvereinbarungen

a)In Erbstreitigkeiten über Vermögensfragen können nach Schweizer Recht die Beteiligten eine Gerichtsstandsvereinbarung schließen und sich auf die örtliche Zuständigkeit eines anderen in- oder ausländischen Gerichts als des Wohnsitzgerichts einigen. Erforderlich ist, dass alle Beteiligten damit einverstanden sind und die Schriftform eingehalten wird.

 

b)Nach der EU ErbVO Art. 5 Abs. 1 ist nur eine Gerichtsstandsvereinbarung zum deutschem Recht möglich, wenn der mit letztem Aufenthalt in der Schweiz verstorbene Erblasser  deutscher Staatsbürger war und wenn er im Testament sein Heimat- Erbrecht gewählt hat (siehe unten C)3.a). Das Schweizer Recht akzeptiert eine solche Gerichtsstandsvereinbarung, wodurch ein deutsches Gericht im Erbstreit zuständig wird.

3. Kompetenzgerangel, Wettrennen zu Gerichten in Deutschland und in der Schweiz, anderweitige Rechtshängigkeit

Die Regelungen des Schweizer IPRG und die für Deutschland geltende EuErbVO über die Zuständigkeit der Nachlassbehörden und Gerichte sind nicht synchron. Deshalb kann es zu Kompetenzkonflikten unter den Behörden und Gerichten kommen: 

 

Wie oben, A)3.c) dargestellt, können die deutschen Gerichte in Erbstreitigkeiten für den gesamten Nachlass zuständig bleiben, wenn der deutsche Erblasser zwar mit letztem Wohnsitz in der Schweiz verstorben ist, wenn er aber noch irgendwie Vermögen in Deutschland hinterlässt. Da sich zugleich die Schweizer Gerichte für zuständig halten, kommt es zu einem Kompetenzkonflikt unter den Gerichten, wenn einzelne Kläger unterschiedliche Gerichte anrufen. Dies kann der Erblasser vermeiden, indem er in Deutschland sein gesamtes Vermögen abräumt.

 

Zu einem Kompetenzgerangel im Erbprozess kommt es auch, wenn ein Schweizer in Deutschland gelebt hat, nach einem Umzug in die Schweiz noch Vermögen Deutschland hinterlässt (z. B.  ein Bankkonto) und in der Schweiz schon innerhalb von 5 Jahre nach dem Umzug verstirbt (siehe oben A)3.c). Auch dieser Kompetenzkonflikt unter den Schweizer und deutschen Gerichten kann einzelne Beteiligte zu einem Wettlauf um den günstigeren Gerichtsort motivieren.

 

Stirbt ein Schweizer mit letztem Wohnsitz in Deutschland, dann provoziert er ebenfalls einen Kompetenzkonflikt, wenn er in seinem Testament gemäß Art. 87 IPRG das Schweizer Gericht im Erbstreit für zuständig erklärt hat (siehe oben A)3.b). Weil er nämlich seinen letzten Wohnsitz in Deutschland hatte und die EUErbVO die Zuständigkeitswahl des Erblassers nicht anerkennt, ist gleichzeitig ein deutsches Gericht für einen Prozess unter den Erben zuständig.

 

Reicht ein Beteiligter z. B. seine Klage bei einem zuständigen Gericht in der Schweiz zuerst ein, dann wird ein deutsches Gericht eine Klage über denselben Streitgegenstand nicht mehr annehmen, sondern wegen „anderweitiger Rechtshängigkeit" zurückweisen. Denn es darf nicht über denselben Streitgegenstand vor zwei unterschiedlichen Gerichten verhandelt werden. Wer zuerst klagt, blockiert damit den Weg zu einem anderen Gericht.

C)   Welches Erbrecht muss das Gericht oder die Nachlassbehörde anwenden?  Schweizer oder deutsches Erbrecht?

Das Erbrecht der Schweiz enthält einige wesentliche Unterschiede zum deutschen Erbrecht. So kann ein Erblasser z.B.  nach Schweizer Erb -und Güterrecht seinen überlebenden Ehegatten besser versorgen und gegenüber den Miterben begünstigen, als nach deutschem Recht. Im Schweizer Erbrecht haben Pflichtteilsberechtigte eine stärkere Rechtsstellung als nach deutschem Recht, die Pflichtteilsquote von Kindern des Erblassers beträgt 3/4 des gesetzlichen Erbanspruchs im Gegensatz zu ½ nach deutschem Recht. Jedoch sind nach deutschem Erbrecht die pflichtteilsbeeinträchtigenden Schenkungnen bis 10 Jahre nach dem Tod des Erblassers auszugleichen, nach schweizer Recht nur bis 5 Jahre. Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft beträgt nach deutschem Recht 6 Wochen, nach Schweizer Erbrecht 3 Monate. Das schweizer Recht erkennt Trusts an, das deutsche nicht. Ob ein Erbfall nach deutschem oder nach Schweizer Recht zu entscheiden ist, kann also im Einzelfall zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Bei der Regelung der Nachfolge kann man mit der Ausübung einer Wahlmöglichkeit des Erbrechts seine Gestaltungsmöglichkeiten verbessern. In einem Erbprozess kann man bei der Wahl des günstigeren Erbrechts taktische Vorteile erlangen.    

 

Das anwendbare nationale Erbrecht regelt insbesondere folgende Fragen:

 

-Wer ist Erbe, wir sind die Erbquoten;

 -welches Vermögen des Erblassers gehört zum Nachlass, was nicht;

 -Auskunftsrechte von Erben und Pflichtteilsberechtigten;

 -welche Ansprüche haben überlebende Ehegatten und Lebenspartner;

 -welche Rechte haben Vermächtnisnehmer;

 -wer sind Pflichtteilsberechtigte, welche Rechte haben sie, siehe hier.

 -wie und wann kann eine Erbschaft ausgeschlagen werden;

 -wie stark ist die Stellung eines Testamentsvollstreckers, wie kann man den Willensvollstrecker loswerden, siehe hier.

 -sind lebzeitige Schenkungen auf das Erbe anzurechnen;  

 -wer haftet für Nachlassverbindlichkeiten;

1. Das Grundprinzip: es gilt das Erbrecht des letzten Wohnsitzes / des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers

Die gesetzliche Grundregel ist in beiden Ländern im wesentlichen gleich:

 

Aus deutscher Sicht gilt nach Art. 21 EUErbVO der Grundsatz, dass sich die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Erbrecht des Staates richtet, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes „den gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte. Auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers kommt es nicht an. Dieser Grundsatz gilt sowohl für deutsche als auch für Schweizer Erblasser.

 

Aus Schweizer Sicht gilt: Der Nachlass einer Person „mit letztem Wohnsitz“ in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht (Art. 90 Abs.1 IPRG), unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Erblassers.

 

Verstirbt eine Person mit letztem Wohnsitz im Ausland, dann gilt das Erbrecht, auf das das Recht des Wohnsitzstaates des Erblassers verweist (Art. 91 abs.1 IPRG).

2. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt, was ist damit gemeint ?

Die Begriffe „gewöhnlicher Aufenthalt“ der EuErbVO und „Wohnsitz des Erblassers“ im Schweizer IPRG sind nicht deckungsgleich und Haarspaltereien können Auslegungsprobleme bereiten:

 

Als „gewöhnlicher Aufenthalt“ wird allgemein der Ort in dem Land verstanden, wo sich der Lebensmittelpunkt des Verstorbenen befand. Jedoch gibt die EuErbVO keine genaue Definition und verlangt, dass man eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Todeszeitpunkt anstellt. Maßgeblich sind die objektiven Tatsachen und Lebensumstände. Der subjektive Wille des Betroffenen zu einem Aufenthaltswechsel ist nicht ausschlaggebend.

 

Nach der Schweizer Definition hat eine Person ihren „Wohnsitz“ in dem Staat, wo der auf Dauer angelegte Mittelpunkt der Lebensinteressen des Betroffenen ist (Art. 20 Abs.1a IPRG). Auf die amtliche Meldeadresse gemäß Einwohnermeldeamt in der Schweiz kommt es nicht allein an. Auch die Staatsangehörigkeit ist gleichgültig.

 

Denkbar ist z. B. dass der deutsche Erblasser seinen „Wohnsitz“ in die Schweiz verlegt hatte, zugleich aber auch auf einer Finca auf Mallorca im Geltungsbereich der EuErbVO lebte, wo sein „gewöhnlicher Aufenthalt“ war und wo er verstarb. Dies kann zu einem Streit führen, ob Schweizer oder ob spanisches Erbrecht anwendbar ist. Deutsches Erbrecht käme aber nicht infrage, weil es auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers nicht ankommt.

 

Auch der Umzug von Schweizer Senioren in ein deutsches Pflegeheim aus Kostengründen kann unerwartet zu einem Streit darüber führen, ob immer noch Schweizer Erbrecht anzuwenden ist, obwohl der Erblasser mit letztem Aufenthalt in einem deutschen Pflegeheim verstorben ist. Dass der Erblasser noch seine Schweizer Meldeadresse behalten hat, ist nicht ausschlaggebend. Denn deutsche Pflegeheime sind gesetzlich verpflichtet, ihre Bewohner auch beim örtlichen Einwohnermeldeamt anzumelden. Es muss festgestellt werden, ob der Erblasser „alle Brücken zur Schweiz abgebrochen“ hat oder ob er auch nach seinem Wegzug in das deutsche Pflegeheim wenigstens die Kontakte zu den in der Schweiz zurückgebliebenen Angehörigen und zu seiner Schweizer Heimat weiter gepflegt hat. War der Erblasser beim Umzug in ein deutsches Pflegeheim schon dement und wahrscheinlich geschäftsunfähig, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er seinen Wohnsitz aus eigenem Willen nach Deutschland verlegen wollte.

3. Abweichung vom Aufenthalts-/Wohnsitzprinzip: Erbrecht gemäß der Staatsangehörigkeit

Das Schweizer und das EU-Erbrecht ermöglichen, dass man in seinem Testament oder im Erbvertrag anstelle des Erbrechts des letzten Wohnsitzstaates, das Recht des Staates wählt, dessen Staatsangehörigkeit man besitzt. Diese Wahlmöglichkeit können sog. Wegzügler ergreifen, also Auslandsdeutsche und Auslandsschweizer. Denn der Wegzug in die Schweiz bedeutet für einen Deutschen in den wenigsten Fällen auch einen Wechsel der Staatsangehörigkeit. Wenn die Kinder als potentielle Erben in Deutschland zurückbleiben, kann es sinnvoll sein, dass die Erbauseinandersetzung nach deutschem Recht erfolgt. Umgekehrt kann man mit einem Wegzug in die Schweiz gerade bezwecken, dass nur Schweizer Erbrecht gelten soll wegen der damit verbundenen Gestaltungsvorteile. Dann wird man von der Wahlmöglichkeit keinen Gebrauch machen.

a) Wahlmöglichkeiten der EuErbVO

Die EuErbVO bietet diese Wahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts in Art. 22 Abs.1. danach kann eine Person als Erbrecht das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl (also beim Aufsetzen des Testaments/Erbvertrags) oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Diese Regelung ermöglicht es Deutschen, die in die Schweiz oder irgendein anderes Land ziehen, ihr deutsches Heimat- Erbrecht stets beizubehalten. Auslandsschweizern in Deutschland wird es ermöglicht, ihr Schweizer Heimatrecht zu wählen.

 

Die ausdrückliche Rechtswahl ist für Deutsche ratsam, weil die EuErbVO seit 2015 auch die internationale Zuständigkeit der Nachlassgerichte in Erbverfahren geändert hat und einen Gleichlauf zwischen der internationalen Gerichts- und Behördenzuständigkeit in Nachlasssachen und dem anwendbaren Erbrecht gebietet. Hat der Erblasser z.B: gemäß Art. 22 EuErbVO sein deutsches Heimat- Erbrecht gewählt, dann ermöglicht er mit dieser Rechtswahl seinen Erben, dass diese durch Gerichtsstandsvereinbarung ein deutsches Nachlassgericht für das Erbscheinsverfahren und ein deutsches Gericht für einen möglichen Erbstreit bestimmen können Art. 5 Abs.1 EuErbVO). Denn im Gegensatz zum Schweizer Recht bietet die EuErbVO Erblassern nicht selbst die Möglichkeit, den Gerichtsort des Nachlassgerichts und eines Streitgerichts selbst zu bestimmen. Diese Möglichkeit kann der Erblasser den Erben nur dadurch eröffnen, dass er eine Rechtswahl trifft. Wer z.B. als deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt auf Mallorca vermeiden will, dass seine deutschen Erben den Erbschein bei einem spanischen Nachlassgericht beantragen müssen, sollte im Testament ausdrücklich regeln, dass das Erbrecht seines Heimatlandes gelten soll, unabhängig von seinem gewöhnlichen Aufenthalt. Dann können die Erben den Erbschein bei dem Nachlassgericht in Deutschland beantragen, und es gilt deutsches Erbrecht. 

b) Das Schweizer IPRG bietet Schweizern vielfältige Wahlmöglichkeiten

Nach Schweizer Recht können ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz im Testament oder Erbvertrag ihr Heimat -Erbrecht anstelle des Schweizer Erbrechts zum Zuge kommen lassen (Art. 90 Abs. 2 IPRG). Hiervon können Wegzügler aus Deutschland also Gebrauch machen.

 

Schweizer Staatsbürgern, die in Deutschland leben (Auslandsschweizern) gibt Art. 91 Abs. 2 IPRG die Möglichkeit, ihr Schweizer Heimat- Erbrecht zu wählen, wenn sie zugleicht gemäß Art. 87 IPRG ihre Schweizer Heimatgerichte und Behörden für zuständig erklärt haben.

 

Darüber hinaus können Auslandsschweizer gemäß Art. 91 Abs. 2 IPRG regeln, dass im Erbverfahren und im Erbprozess zwar die Schweizer Nachlassbehörde und ein Schweizer Gericht zuständig ist, dass diese aber deutsches Erbrecht als Recht ihres Wohnsitzstaates anwenden sollen.

 

Auslandsschweizer haben sogar die Möglichkeit einer Teil- Rechtswahl gemäß Art. 87 Abs. 2 IPRG: Sie können regeln, dass ihr hinterlassenes Vermögen jeweils dem örtlichen Erbrecht des Staates unterliegt, wo es sich befindet. Sie können also z.B. anordnen, dass für ihre Bankkonten und Depots und ihre Immobilen der Schweiz das Schweizer Erbrecht gilt und die Schweizer Gerichte zuständig sind, während für ihre in Deutschland befindliche Unternehmensbeteiligung deutsches Erbrecht gilt und die deutschen Gerichte zuständig sind. man nennt dies eine "Nachlaßspaltung".

 

Ausgeschlossen ist es aber, dass ein Deutscher mit letztem Wohnsitz in Deutschland separat für seine Ferienimmobilie in der Schweiz oder für sein Schweizer Bankkonto das Schweizer Erbrecht und/oder die Zuständigkeit der Schweizer Behörden und Gerichte im Testament anordnet. Auf solches Auslandsvermögen ist zwingend ebenfalls deutsches Erbrecht anwendbar, und die deutschen Gerichte sind allein zuständig. Dies kann der Erblasser auch nicht dadurch „aushebeln,“ dass er in der Schweiz einen Notar findet, der für das deutsche Vermögen ein "Separat- Testament" mit einer solchen Rechtswahl beurkundet.

 

Bei der Wahl des anzuwendenden Erbrechts sind das Schweizer IPRG und die EuErbVO also nicht synchron, weil Schweizer Staatsbürger mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben, die aber von der EuErbVO nicht anerkannt werden. Auch dies kann in einzelnen Fällen ein Kompetenzgerangel der Gerichte und Behörden verursachen und zu einem Wettrennen der Erben zu Gerichten in unterschiedlichen Ländern führen.

D)  Stiftung Liechtenstein

Hatte der Erblasser Geld in eine *Liechtensteiner Stiftung* transferiert, Dann wird das Stiftungsvermögen zumeist auf dem Konto einer Bank in der Schweiz verwaltet. Liechtensteiner Stiftungen werden oft zu dem Zweck gegründet, dass bestimmte Vermögensteile der Erbmasse entzogen sind.

 

Hatte der deutsche Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Deutschland, dann richten sich im Erbfall die Rechte seiner benachteiligten pflichtteilsberechtigten Erben nach deutschem Recht. Erheben die Erben gegen die Stiftung Klage vor einem Liechtensteiner Gericht auf Anfechtung der Stiftung und Pflichtteilsergänzung, dann hat dieses Gericht über die Frage der Pflichtteilsbeeinträchtigung und auch über die Auskunftsansprüche der Erben nach deutschem Recht zu entscheiden. Dies setzt natürlich voraus, dass die Erben überhaupt von dem Vermögenstransfer an die Stiftung wissen. Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz, ist Schweizer Erbrecht anzuwenden. War der Erblasser in die Schweiz verzogen und hatte geregelt, dass es beim deutschen Erbrecht bleiben soll, ist wiederum deutsches Erbrecht anzuwenden.

 

Deutsches Erbrecht ist dann auch anzuwenden, wenn pflichtteilsberechtigte Erben gegen andere Erben vor einem deutschen Gericht Klage auf Auskunft über Vermögen erheben, dass der Erblasser in eine Stiftung in Liechtenstein transferiert hat. Der Erfolg einer solchen Klage setzt freilich voraus, dass die beklagten Erben überhaupt etwas von den Transaktionen des Erblassers wissen.  In vielen Fällen bleibt der Transfer von Vermögen auf Liechtensteiner Stiftungen unbekannt.

 

Jedoch ist Liechtensteiner Recht anzuwenden, wenn es um die Frage geht, ob eine Liechtensteiner Stiftung überhaupt wirksam gegründet wurde und ob insoweit der Vermögenstransfer auf die Stiftung rechtmäßig erfolgt war. Dies gilt auch dann, wenn über diese Frage vor einem deutschen Gericht gestritten wird. Vereinzelt urteilen deutsche Gerichte trotzdem nach deutschem Recht, dass die Gründung einer Liechtensteiner Stiftung (z.B. wegen Steuerhinterziehung) unwirksam war. Solche Urteile deutscher Gerichte sind wirkungslos. Denn sie werden in Liechtenstein weder anerkannt, noch sind sie vollstreckbar und können deshalb die Wirksamkeit der Stiftungsgründung nicht ernstlich erschüttern.

 

Hatte der Erblasser nicht seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Liechtenstein und war er nicht Liechtensteiner Staatsbürger, dann kann er nicht regeln, dass Liechtensteiner Erbrecht für seinen Nachlass gelten soll. Auch kann er nicht regeln, dass für sein auf die Liechtensteiner Stiftung transferiertes Vermögen ein anderes Erbrecht gelten soll als für sein sonstiges hinterlassenes Vermögen.

 

Auf die Rechtsbeziehungen zur Schweizer Bank wegen des dort angelegten Stiftungsvermögens ist das örtliche Schweizer Recht anzuwenden. Hatte der Erblasser eine sog. transparente Liechtensteiner Stiftung gegründet und hatte er zu Lebzeiten noch die alleinige Verfügungsgewalt über das Kontoguthaben, so richten sich die Auskunftsansprüche seiner Erben gegen die Bank nach Schweizer Recht.

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