Nach der Reform des HGB und des Versicherungsvermittlerrechts im Jahr 2009 wurden viele grundsätzliche Fragen der Berechnung des Ausgleichsanspruchs der Versicherungsvermittler und der Bausparkassenvertreter heftig diskutiert. In seinen Urteilen vom 8.5.2014 - VII ZR 282/12 und vom 23.11.2011 - VIII ZR 203/10 hat der Bundesgerichtshof (BGH) für die Praxis der Ausgleichsberechnung wichtigen Fragen einiges klar gestellt:
Der BGH hat entschieden, dass ausgeschiedene Versicherungsvermittler und Bausparkassenvertreter die Wahl haben, ihren Ausgleichsanspruch entweder nach der gesetzlichen Regel des § 89b Abs. 5 HGB zu berechnen, oder aber die Berechnungsmethode anzuwenden, die in den Grundsätzen der Versicherungswirtschaft vorgegeben wird. Nach Auffassung des BGH sind die Grundsätze der Versicherungswirtschaft eine branchenweit anerkannte Schätzgrundlage, die ein Gericht bei der Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs heranziehen muss, wenn sich der Versicherungsvertreter auf die "Grundsätze" beruft. Dies gilt auch dann, wenn die Geltung der "Grundsätze" mit dem Versicherungsunternehmen nicht vereinbart wurden. In diesem Fall dienen die Grundsätze zumindest las Schätzgrundlage für die Berechnung des Mindestausgleichs des Vermittlers.
Früher hatten die Gerichte noch verlangt, dass die Anwendung der Grundsätze der Versicherungswirtschaft voraussetzt, dass diese ausdrücklich vertraglich vereinbart waren. Für den ausgeschiedenen Versicherungsvermittler ist dies eine begrüßenswerte Verbesserung seiner Position. Denn eine Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach der gesetzlichen Regel des § 89b Abs. 5 HGB ist ungleich schwieriger als eine Schätzung des Ausgleichsanspruchs nach den Grundsätzen der Versicherungswirtschaft.
Wie man in den unterschiedlichen Versicherungssparten die Höhe des Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters nach diesen Grundsätzen der Versicherungswirtschaft berechnet, finden Sie hier!
Davon abweichend gilt für die Vermittler von Finanzdienstleistungen, dass diese nicht für die Schätzung ihres Ausgleichsanspruchs die Anwendung der "Grundsätze Finanzdienstleistungen" wählen können, wenn die "Grundsätze" nicht ausdrücklich mit dem Unternehmen vereinbart war. Hier erfolgt die Berechnung des Ausgleichsanspruchs allein nach den gesetzlichen Vorgaben von § 89 b Abs. 1 HGB.
Bei der Beantwortung der Frage, was konkret beim Ausgleichsanspruch "ausgeglichen" wird, hat der BGH die Erwartungen der hoch gestellten Führungskräfte von Strukturvertrieben bisher enttäuscht. Viele hofften, dass ihre Leistungen beim Aufbau großer, oft mehrere tausend Leute umfassender Vertriebsstrukturen angemessener abgegolten werden. Denn bei seinem Ausscheiden lässt die Führungskraft die von ihr in jahrelanger Arbeit aufgebaute Vertriebsstruktur zurück. Hinzu kommt, dass die Einkünfte der hoch gestellten Führungskräften von Vertriebsstrukturen kaum noch aus eigenen Provisionen bestehen.
Der "Provisionsverlust" ist aber nach wie vor ein entscheidender Parameter für die Höhe des Ausgleichsanspruchs. Deshalb wird wegen des erheblichen wirtschaftlichen Werts, den eine zurückgelassene Vertriebsstruktur für das Versicherungsunternehmen darstellt, gefordert, dass der Ausgleichsanspruch des ausscheidenden Versicherungsvermittlers europarechtskonform grundsätzlich die erheblichen "Unternehmervorteile" der Versicherungsgesellschaft mit zu berücksichtigen hätte.
Dies hat der BGH mit der schlichten Begründung abgelehnt, dass die Europäische Handelsvertreterrichtline in Deutschland nur für "Handelsvertreter" verbindlich ist, nicht aber für Versicherungsverteter.
Deshalb bleibt es auch nach dem Urteil des BGH vom 23.11.2011 bei dem Grundsatz, dass der Versicherungsvertreter- und Bausparkassenvertreterausgleich allein dem Ausgleich für noch nicht vollständig ausgezahlte Vermittlungsprovisionen aus bestehenden, vom Vermittler vermittelten Verträgen dient, soweit diese Provisionen infolge der Beendigung des Vermittlervertrages entfallen.
Berechnungsgrundlage sind also nicht die aufgebaute Vertriebsstruktur oder ein Kundenbestand, sondern der aufgebaute Vertragsbestand. Ausgleichsrechtlich relevant sind dabei nur die noch nicht vollständig ausgezahlten Provisionen.
Weiter ist zu unterscheiden zwischen vermittelnden Vergütungsanteilen und verwaltenden Vergütungsanteilen. Die verwaltenden Provisonsanteile dürfen nicht berücksichtigt werden.
Für den Leiter der Regionaldirektion hat der BGH aber immerhin klargestellt, dass die Superprovisionen eines Generalvertreters oder Bezirksstellenleiters im Strukturvertrieb sehr wohl ausgleichspflichtig sind. Er muss nur geltend machen, dass seine Arbeit als Leiter wenigstens mitursächlich für die von den unterstellten Vertretern vermittelten Verträge war. Dabei kann im Einzelfall schon die Einstellung und Einarbeitung der Untervertreter genügen.
Im Ergebnis muss der ausscheidende Vermittler selbst den schwierigen Nachweis dafür erbringen, dass die bei Beendigung seines Vertretervertrages entfallenden Provisionen einen ausgleichsrelevanten Vermittlungsanteil enthalten.
In dem Fall, den der BGH mit Urteil vom 8.5.2014 entschied, hatte die ausgeschiedene Führungskraft eines Strukturvertriebs erneut reklamiert, dass ihm für seine Leistungen beim Aufbau der zurückgelassenen Vertriebsstruktur ein Zuschlag zusteht. Diesmal lehnte der BGH den Aufschlag mit der Begründung ab, dass sich der Versicherungsvertreter selbst dafür entschieden hatte, dass das Gericht seinen Mindestausgleich nach den "Grundsätzen" schätzt. Das Regel- und Rechenwerk der "Grundsätze" sei aber abschließend und enthalte keine Möglichkeit, einen Zuschlag für besondere Leistungen eines ausscheidenden Vermittlers im Einzelfall zu vergeben. Wer sich bewusst dafür entscheidet, dass das Gericht den gesetzlichen Mindestausgleichsanspruch nach den "Grundsätzen" schätzt, nimmt in Kauf, dass dann eben nur dieses Rechenwerk gilt. Dabei lässt der BGH nicht unerwähnt, dass er im Prozessvortrag der Klägeranwälte "Defizite und Unklarheiten" erkannte. Es fragt sich deshalb, wie der BGH entschieden hätte, wenn der Vermittler die Berechnung seines gesetzlichen Mindestausgleichs ohne Anwendung der "Grundsätze"verlangt hätte. Denn in seinem Urteil vom 23.11.2011 hatte er ja den Sonderzuschlag für die Leistung beim Aufbau der Vertriebsstruktur auch schon abgelehnt. Vielleicht ist der kleine Seitenhieb gegen die Anwälte des Klägers als Aufmunterung des BGH zu verstehen, beim nächsten Anlauf alles richtig zu machen.
In der Praxis wird auch nach den aktuellen BGH-Urteilen die Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach den Grundsätzen der Versicherungswirtschaft als Schätzgrundlage der einfachere und sicherere Weg bleiben. Das Berechnungsschema finden Sie hier!
Wie genau der Ausgleichsanspruch nach Gesetz zu berechnen ist, ist nach wie vor unter den Juristen umstritten.
Bei allen übrigen Versicherungssparten ist aber die Berechnung des Ausgleichsanspruchs für den Vermittler nach den einschlägigen "Grundsätzen" vorzuziehen. Denn die "Grundsätze" machen den Ausgleichsanspruch nicht von Provisionsverlusten des Vermittlers infolge Vertragsbeendigung abhängig.
Wenn Ihnen Ihr Versicherungsunternehmer den Inhalt der einschlägigen "Grundsätze" nicht mitteilt, sende ich ihnen einen Text zu.
In seinem Urteil vom 8.5.2014 hat der BGH dies für den Fall bejaht, wenn sich der Versicherungsvertreter dafür entscheidet dass sein Mindestausgleich durch das Gericht nach den "Grundsätzen" geschätzt werden soll. Denn der Abzug sei in diesem Rechenwerk vorgeschrieben, wenn die Altersversorgung aus Beiträgen des Versicherungsunternehmens aufgebaut wurde, und die "Grundsätze" dürfen nur ganz oder gar nicht angewendet werden. Das Argument, dass der Vermittler selbst zum Aufbau der Altersversorgung vertraglich verpflichtet war, lässt der BGH nicht gelten.
Durchweg enthalten die Verträge von Versicherungsvermittlern Klauseln über einen Provisonsverzicht für den Fall der Vertragbeendigung. Mit diesem Verzicht der Vermittler auf künftige Provisionen aus den von ihnen vermittelten Verträge sollte erst die Grundlage für den gesetzlichen Ausgleichsanpruch gemäß § 89 b HGB geschaffen werden. Denn mit dem Ausgleichsanspruch sollten ja die noch nicht ausgezahlten Vermittlungsprovisionen abgegolten werden. Mit Urteil vom 21.10.2009 Aktenzeichen VIII ZR 286/07 hat der Bundesgerichtshof jedoch eine Vielzahl von standardisierten Provisonsverzichtsklauseln von Versicherern für unwirksam erklärt.
Das Urteil des BGH könnte den Weg für einen zusätzlichen Zahlungsanspruch des ausscheidenden Vermittlers gegen die Versicherung ebnen. Bedenkt man z.B. dass die jährlichen gesamten Provisionseinnahmen eines Vermittlers durchschnittlich aus bis zu 10% Dynamikprovisionen bestehen können, so wäre dieser Wert wiederum mit der prognostizierten Durchschnittslaufzeit eines Versicherungsvertrages von bis zu 28 Jahren zu multiplizieren. Hier gilt die Obergrenze von § 89 b Abs. 5 HGB nicht.
Auch mit einer solchen Berechnung kann ein ausscheidender Vermittler in den außergerichtlichen Verhandlungen mit der Gesellschaft seiner Forderung nach einer angemessen hohen Ausgleichszahlung Nachdruck verleihen.
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